Rede zum Haushalt 2024/25
Lieber Herr Bürgermeister Wörner, liebe Damen und Herren der
Verwaltung, liebe Kollegen und Kolleginnen des Gemeinderats, verehrtes Publikum,
Wir haben es geschafft! Wir haben den ersten Doppelhaushalt der Gemeinde hinter uns und das Ergebnis ist gar nicht so schlecht. Trotz der multiplen Krisen mit denen wir in den letzten zwei Jahren leben mussten. Wie die Folgen der Coronakrise und die Flüchtlingswelle durch den Krieg in der Ukraine. Damit einher gingen die stark ansteigenden Energiepreise und die steigende Inflation. Trotz dieser negativen Umstände vermelden Herr Baier und Frau Melzer in ihrem Rückblick zum ersten Doppelhaushalt, dass das Haushaltsjahr 2022 mit einem ordentlichen Ergebnis von 4,5 Mio. Euro besser abschließt als erwartet, auch 2023 wird das Ergebnis wohl besser ausfallen. Auch die Gewerbesteuer ist um 3 Mio. Euro höher ausgefallen, als ursprünglich vom Kämmerer veranschlagt. Ähnlich positiv sieht es im Finanzhaushalt aus.
Allerdings dürfen wir bei all den schönen Zahlen nicht vergessen, dass viele Projekte durch die Pandemie, unter anderem durch die zahlreichen Lockdowns einfach nicht ausgeführt wurden und einfach nur nach hinten verschoben wurden. Das heißt beispielsweise Baumaßnahmen im Straßen- und Kanalbereich müssen jetzt nachgeholt werden.
So verflüchtigt sich leider das schöne „Plus“ gleich wieder!
Außerdem hat sich seit der Verabschiedung unseres ersten Doppelhaushalts an der Gesamtsituation in Deutschland leider nicht viel geändert.
Wir leben immer noch in einer Welt voller Kriege und Krisen. Wir haben immer noch den Ukrainekrieg direkt vor unserer Haustüre, wir haben die Krise im Nahen Osten, wir stecken mitten in einer Klimakrise, wir müssen immer mehr flüchtende Menschen aufnehmen und in den Gemeinden für deren Unterbringung sorgen.
Dazu kommen immer mehr Aufgaben, die uns vom Bund und vom Land auferlegt werden. Wie beispielsweise die Digitalisierung an den Schulen, Ganztagsbetreuung in Kindergärten und Schulen, wie das Thema Klimaneutrale Gemeinden und in dem Zusammenhang die Wärmeplanung.
Das alles kostet Geld, Geld das die Gemeinden aufbringen müssen für Leistungen die aber ohne Zuschüsse von Bund und Land nicht mehr leistbar sind.
Schließlich geht es ja nicht nur darum die Kids mal schnell mit ein paar Tablets auszustatten, nein diese Tablets müssen gewartet werden, da müssen neue Programme aufgespielt werden, oder es geht auch mal eines kaputt. Dafür muss es Personal geben, das die Wartung übernimmt und das gibt es nicht umsonst.
Auch bei der Ganztagsbetreuung reicht es nicht, mal schnell ein Gebäude hinzustellen oder zusätzliche Räume für die Betreuung einzurichten, sondern es braucht auch da das zusätzliche Personal, das die Kinder betreut.
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Bei diesen ganzen Vorgaben kommt es einem manchmal so vor, als sei man nur noch fremdbestimmt. Der Gestaltungsspielraum, den eine Gemeinde hat, wird immer enger.
Auf der anderen Seite gäbe es aber genug Möglichkeiten Ressourcen einzusparen und zu Modernisieren. Stichwort noch einmal: Digitalisierung!
Wir müssen endlich die Bürokratie und die Verwaltungsaufgaben verschlanken, Hürden und Gesetze überprüfen, und da wo sie überholt und unsinnig sind, diese zügig abbauen.
Ein Beispiel aus der eigenen Praxis, zeigt wie Digitalisierung in Deutschland heute immer noch funktioniert:
Ich muss meinen alten geliebten Führerschein nach 40 Jahren in einen neuen Kartenführerschein eintauschen. Tatsächlich finde ich dafür im Internet ein Formular. Das kann ich sogar online ausfüllen. Aber dann kommts: Ausdrucken – Unterschreiben – nach Pfullingen aufs Amt bringen. Die Kollegin dort prüft das Formular und dann muss ich 4-6 Wochen warten!! Ich frage mich was dauert da so lange?? Im günstigsten Fall scannt die Mitarbeiterin das Formular wieder ein, lädt es hoch und verschickt es ans Landratsamt, im schlechteren Fall geht das ganze per Post weg. Beim Landratsamt bleibt das Formular wieder ein Weilchen liegen, bis der Kollege es von dort an die Bundesdruckerei schickt, dort liegt es dann wieder…. Usw usw. bis ich dann endlich den neuen Führerschein nach vier bis sechs Wochen abholen kann. Ich fürchte über das Abholdatum werde ich auch per Post und Brief informiert.
Mit einer sinnvollen Digitalisierung wäre der ganze Prozess wahrscheinlich in einer Woche erledigt. Und noch viel besser, die Kollegen auf dem Amt hätten Zeit für andere Aufgaben oder werden nicht mehr gebraucht. Was letztlich den Personalbestand in der Verwaltung reduzieren kann.
Denn auch da zeigt ein Blick in den aktuellen Haushalt, dass die Personalausgaben immer weiter ansteigen, nicht nur weil die Gehälter steigen, sondern weil auch immer mehr Personal benötigt wird für das „Mehr“ an unnötigen Aufgaben, die eine Kommune leisten muss.
Ein Blick in die Nachbarländer würde schon reichen, um zu zeigen, dass eine zügige Digitalisierung in allen Bereichen durchaus funktioniert! In Estland beispielsweise sind staatliche Dienstleistungen zu nahezu 100% digitalisiert. Einen digitalen Personalausweis gibt es dort bereits seit 20 (!!) Jahren.
Das Totschlag-Argument in Deutschland für nahezu alles was die Digitalisierung betrifft ist der Datenschutz, dabei gibt es längst Möglichkeiten die Daten sinnvoll zu verschlüsseln bzw. der Datenschutz wird umgekehrt. Das Vertrauen der Esten in ihre Behörden ist auch deshalb so groß, weil sie jederzeit Zugriff auf ihre eigenen Daten haben und so Missbrauch kontrollieren und melden können.
Wir müssen jetzt endlich anfangen umzudenken!
Denn wenn wir nicht aufpassen, dann wird Deutschland in allen Bereichen von anderen Ländern überholt. In vielen Bereichen in der Industrie ist das übrigens schon längst passiert! Mir kommt es manchmal so vor, als wäre Deutschland ein alter Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, das haben wir zwar erkannt aber bremsen und umsteuern wollen wir nur ein kleines bisschen, vor lauter Angst vor den Konsequenzen. Es könnte dabei ja was schief gehen und der alte Dampfer würde ins Wanken geraten.
Oder um es mit dem guten alten Henry Ford zu sagen: „Wer immer tut was er schon kann, bleibt immer das was er schon ist!“
Also lassen sie uns doch endlich die alten Pfade verlassen und zumindest auf kommunaler Ebene neue Ideen wagen!
Bestes Beispiel ist die Klimaneutralität der Gemeinden!
Und da kann jede einzelne Gemeinde durchaus selbst was dafür tun. Es gibt seit 2022 die Photovoltaik Pflicht auf allen Neubauten. Auch bei Dachsanierung gilt diese Pflicht. Natürlich kostet das erst einmal Geld aber letztlich erzeugen wir dadurch unseren eigenen Strom und investieren somit auch in die Zukunft.
Das Gleiche gilt für die Windkraft! Sowohl Windkraft wie auch Solarenergie gelten als die Energiequellen bei den Erneuerbaren mit dem größten Potenzial. Aber es gibt noch viel mehr Möglichkeiten. Kürzlich habe ich in einem Beitrag gehört, dass beispielsweise Tübingen aus dem Abwasser der Kläranlage Strom gewinnt. - Warum nicht?
Wie sehr wir abhängig sind von anderen Ländern haben wir im letzten Jahr bei der Energiekrise gespürt, das muss nicht so sein. Wir als Gemeinde könnten uns durchaus ein stückweit unabhängiger machen. Dazu braucht es aber innovative Ideen und ein bisschen Mut. Beispiele wie das Gemeinden in Deutschland geschafft haben, gibt es übrigens genug.
Eine gute Entscheidung war es in Pfullingen, beim Wohnungsbau endlich das Heft wieder in die eigene Hand zu nehmen. Die Entscheidung der Verwaltung und des Gemeinderats einen Eigenbetrieb Wohnbau zu gründen war absolut richtig!
Innovative Ideen braucht es zum Beispiel auch bei der Radwegebeleuchtung in Pfullingen.
Und damit komme ich auf einen wiederholten Antrag der FWV zu sprechen.
Wieder einmal wird der Antrag der FWV den kurzen Abschnitt des Radwegs zwischen Holz Braun und Thomas Philipps abgelehnt mit der Begründung, es gäbe keine kostengünstige Lösung. Ich verweise da auf Projekte in Tübingen, Münster oder andere Städte die sogenannte Intelligente Radwegbeleuchtungen eingerichtet haben. Die Solar-betrieben und mit Sensoren ausgestattet nur dann angehen, wenn ein Radfahrer in Sicht ist. Das spart Energie und Kosten, laut Hersteller rund 70 Prozent übrigens.
Es wäre außerdem ein echter Gewinn für alle Radfahrer und Radfahrerinnen, Jogger und Joggerinnen, der zu mehr (wenn vielleicht auch nur gefühlter) Sicherheit führt.
Einen unglaublich hohen Qualitätsgewinn für die Pfullinger Bürger und Bürgerinnen haben wir dagegen im vergangenen Jahr erlebt mit dem Projekt „Neue Mitte“. Eine tolle Idee und an dieser Stelle nochmal einen ganz herzlichen Dank an die Verwaltung für die Umsetzung.
Es war phänomenal was die Stadt gemeinsam mit den Vereinen und Institutionen hier auf die Beine gestellt hatte, und es wäre wünschenswert, wenn das Projekt in diesem Jahr in
geeigneter Form wieder zur Umsetzung käme. Das hat dazu geführt, dass die Pfullinger wieder ihre Stadtmitte als das erkannt haben, was sie ja sein soll. Ein Platz in der Mitte, als Treffpunkt zum Verweilen mit großer Aufenthaltsqualität.
Wir Freien Wähler sehen und anerkennen auch die Anstrengungen der Stadt, die Leerstände wieder zu füllen, dafür braucht es viele Gespräche, Verhandlungen und Angebote der Stadt, damit sich neue Geschäfte beispielsweise in den leeren Räumen des DEZ ansiedeln.
In den Ausführungen der Verwaltung zu unserem Antrag die Wirtschaftsförderung weiter zu stärken, wurde das Förderprogramm „Innenstadtberater“ erwähnt und auch der Pop up Store, der damals tatsächlich gut angekommen ist. Ich bin gespannt was sich dahinter verbirgt, sicherlich werden sie dazu berichten. Und wir von der FWV freuen uns auch da auf die innovativen Ideen. Fakt ist auf jeden Fall … auch ein Pop up Store ist kein Selbstläufer und braucht Unterstützung, so wie jedes Unternehmen in der Stadt.
Vor dem Hintergrund dieser vielen sehr unterschiedlichen Anforderungen, die in den nächsten Jahren auf die Gemeinde zukommen, seien es nun Forderungen des Bundes, des Landes oder den Zwängen der die Gemeinde unterliegt, ist es sicherlich nicht leicht einen Doppelhaushalt aufzustellen.
Der Blick in das knapp 400 Seiten starke Werk zeigt uns, dass die Investitionen auch die nächsten Jahre immer noch geprägt sind durch die Großprojekte aus dem ISEK – dem integrierten Stadtentwicklungsprogamm.
Und ich möchte hier Herrn Baier und Frau Melzer zitieren, die in ihrer Betrachtung zum Haushalt betonen „nach jetzigem Planungsstand wäre in den nächsten 5 Jahren ein Fremdfinanzierungsvolumen von 32 Mio. Euro nötig!“
Neben den Pflichtaufgaben, die Pfullingen finanzieren muss, sind es vor allem diese Großprojekte, die dazu führen, dass der neue Doppelhaushalt richtig auf Kante genäht ist.
Wie der Rathausergänzungsbau, die Digitalisierung an den Schulen, die Dachsanierung des Schlosses, der Investitionszuschuss für den evangelischen Kindergarten, die Erschließung des Gewerbegebiets „Unter den Wegen II“ und, und, und….
Deshalb müssen wir in Zukunft noch mehr darauf achten, dass wir sparsam mit den Ausgaben der Gemeinde umgehen. Und genau hinsehen!
Nicht jedes Projekt muss sofort umgesetzt werden!
Die Kosten und der Nutzen müssen genauestens überprüft werden!
Aber - davon sind wir von der FWV überzeugt - wir müssen jetzt investieren, damit wir Pfullingen modernisieren und für seine Bürger und Bürgerinnen attraktiv bleiben!
In diesem Sinn wünsche ich uns, der Verwaltung und dem Gemeinderat gute Entscheidungen zum Wohl der Stadt Pfullingen und ihren Bürgern und Bürgerinnen.
Einen ganz herzlichen Dank an den Stadtkämmerer Herrn Baier und Frau Melzer für das Erarbeiten des Haushalts, danke den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit. Und danke an alle Gemeinderatskollegen und Kolleginnen, mit denen man immer kräftig diskutieren kann, dabei aber immer fair und konstruktiv bleibt.
Für die FWV
Britta Wayand, Christine Böhmler, Christine Zössmayr und Uwe Wohlfahrt